Frauen in der Schweiz erhalten im Alter durchschnittlich ein Drittel weniger Rente als Männer – konkret etwa 20’000 CHF pro Jahr weniger. Gleichzeitig wächst der Anteil der Schweizerinnen, die ihr Geld eigenständig anlegen, innerhalb eines Jahres um fast 20 Prozent. Diese Zahlen verdeutlichen sowohl die Herausforderungen als auch die Veränderungen in der finanziellen Situation von Frauen.
Gezielte Finanzberatung kann entscheidend dazu beitragen, bestehende Lücken zu schliessen und in jeder Lebensphase die Weichen für finanzielle Selbstbestimmung zu stellen.
Contents
- 1 Das Wichtigste auf einen Blick
- 2 Finanzielle Herausforderungen in verschiedenen Lebensphasen
- 3 Das Schweizer Vorsorgesystem verstehen und nutzen
- 4 Die richtige Finanzberatung finden
- 5 Tipps & Mythen beim Investieren
- 6 Konkrete Schritte zur finanziellen Selbstbestimmung
- 7 Fazit: Eigene Finanzen aktiv gestalten
Das Wichtigste auf einen Blick
- Eine Studie von Swiss Life (2024) beziffert den Gender Pension Gap in der Schweiz auf rund ein Drittel – Rentnerinnen erhalten jährlich ca. 20’000 CHF weniger als männliche Ruheständler
- Hauptursache sind die unterschiedlichen Erwerbsbiografien: Teilzeitarbeit, Erwerbsunterbrechungen und tiefere Löhne schlagen sich in der Rente nieder
- In der beruflichen Vorsorge (2. Säule) ist der Unterschied mit 67 Prozent laut Berner Fachhochschule besonders markant
- Der Anteil investierender Frauen in der Schweiz wächst laut YouGov/BlackRock (2024) deutlich – dennoch legt nur jede dritte Frau Geld an, während es bei Männern mehr als jeder zweite tut
- Eine strategische Finanzplanung in allen Lebensphasen kann Vorsorgelücken minimieren und langfristig zu finanzieller Unabhängigkeit führen

Finanzielle Herausforderungen in verschiedenen Lebensphasen
Die Rentendifferenz basiert vor allem auf den Einkommensunterschieden während des Erwerbslebens. Frauen in der Schweiz verdienen in den Jahren vor der Pensionierung durchschnittlich 40 bis 50 Prozent weniger als Männer – ein Unterschied, der sich direkt in den Altersleistungen niederschlägt.
In der beruflichen Vorsorge (2. Säule) ist die Lücke besonders gravierend. Das Bundesamt für Statistik dokumentiert, dass vier von zehn Schweizerinnen in Teilzeit arbeiten, was niedrigere Pensionskassenbeiträge zur Folge hat. Hinzu kommen häufigere Erwerbsunterbrechungen, die zu fragmentierten Beitragszahlungen führen.
Berufseinstieg: Kapital für späteren Vermögensaufbau
Der Berufseinstieg ist finanziell entscheidend, da hier die Weichen für die langfristige Vermögensentwicklung gestellt werden. Wer früh beginnt, profitiert erheblich vom Zinseszinseffekt. Eine Modellrechnung verdeutlicht: Bei monatlichen Einzahlungen von 300 Franken und einer durchschnittlichen Rendite von 5 Prozent wächst das Vermögen nach 40 Jahren auf rund 400’000 Franken an. Bei gleicher Sparrate, aber nur 20 Jahren Anlagedauer, reduziert sich der Endbetrag auf etwa 120’000 Franken.
Lesetipp: Wie Sie als Berufseinsteiger Karriere in der Finanzindustrie machen
Familienplanung: Erwerbsbiografien bewusst gestalten
Die Familienplanung ist oft der Punkt, an dem sich Erwerbsbiografien von Frauen und Männern deutlich auseinander entwickeln. Eine Auswertung der Pensionskassenstatistik zeigt die langfristigen Auswirkungen: Reduziert eine Frau ihr Arbeitspensum von 100 auf 60 Prozent (bei einem Jahresgehalt von 84’000 Franken über zehn Jahre), entstehen Pensionskassenlücken von über 100’000 Franken. Diese setzen sich aus tieferen Einzahlungen und einer entsprechend tieferen Rente zusammen.
Bei der Familienplanung ist es daher wichtig, die langfristigen finanziellen Auswirkungen zu berücksichtigen und gemeinsam mit dem Partner Strategien zu entwickeln, die eine ausgewogene Beteiligung beider am Erwerbsleben ermöglichen.
Trennung oder Scheidung: Neue finanzielle Realität
Bei einer Scheidung zerplatzt für viele Frauen nicht nur die Vorstellung vom gemeinsamen Leben, sondern oft auch die finanzielle Sicherheit. Das Bundesgericht hat seine Rechtsprechung beim Unterhaltsrecht angepasst (BGE 144 III 481): Es orientiert sich nicht mehr am traditionellen Familienbild mit lebenslangen Unterhaltszahlungen, sondern erwartet eine stärkere wirtschaftliche Eigenverantwortung.
Eine Finanzanalyse nach der Trennung sollte daher zwei zentrale Aspekte beleuchten: die kurzfristige Sicherung des Lebensunterhalts und die langfristige Neuausrichtung der Altersvorsorge. Die Teilung der Pensionskassenguthaben bei einer Scheidung bietet zwar einen gewissen Schutz, reicht aber oft nicht aus, um bestehende Vorsorgelücken vollständig zu schliessen.
Vor der Pensionierung: Letzte Optimierungen nutzen
Fünf bis zehn Jahre vor der Pensionierung bieten sich letzte Möglichkeiten zur Optimierung der Altersvorsorge. Ein Einkauf in die Pensionskasse kann erhebliche Steuervorteile bringen.
Fachleute empfehlen zudem, in dieser Phase eine umfassende Vorsorgeanalyse durchführen zu lassen, um sicherzustellen, dass alle Möglichkeiten zur Optimierung ausgeschöpft werden.

Das Schweizer Vorsorgesystem verstehen und nutzen
Das Schweizer Vorsorgesystem mit seinen drei Säulen hat für Frauen besondere Herausforderungen und Chancen:
- Die erste Säule (AHV) wirkt ausgleichend und kennt dank Erziehungsgutschriften und dem Splittingprinzip bei Ehepaaren kaum geschlechtsspezifische Unterschiede. Dennoch sollten Frauen regelmässig einen AHV-Kontoauszug anfordern, um Beitragslücken frühzeitig zu erkennen und zu schliessen.
- Die zweite Säule (berufliche Vorsorge) stellt für viele Frauen die grösste Herausforderung dar. Die Eintrittsschwelle liegt 2025 bei 22’680 Franken Jahreseinkommen, was insbesondere Teilzeitbeschäftigte benachteiligt. Hinzu kommt der Koordinationsabzug von 26’460 Franken, der das versicherte Einkommen weiter reduziert. Wer für mehrere Arbeitgeber tätig ist und bei keinem die Eintrittsschwelle erreicht, sollte prüfen, ob eine freiwillige Versicherungslösung (z. B. über eine Sammelstiftung) möglich ist, um Lücken in der Altersvorsorge zu vermeiden.
- Die dritte Säule (private Vorsorge) bietet Frauen die Möglichkeit, selbstbestimmt vorzusorgen. In die Säule 3a können Erwerbstätige mit Pensionskasse im Jahr 2025 bis zu 7’258 Franken einzahlen und den Betrag vom steuerbaren Einkommen abziehen. Für die langfristige Vermögensbildung empfehlen Fachleute Säule-3a-Lösungen mit einem Anteil an Wertschriften, da sie über längere Zeiträume deutlich höhere Renditechancen bieten als reine Sparkonten.
Erziehungs- und Betreuungsgutschriften aktiv nutzen
Die AHV kennt spezifische Ausgleichsmechanismen für Betreuungsarbeit: Erziehungsgutschriften werden automatisch angerechnet, wenn Kinder unter 16 Jahren betreut werden. Betreuungsgutschriften für die Pflege von Angehörigen müssen hingegen jährlich beantragt werden. Diese Gutschriften sind besonders wichtig für Frauen, da sie überproportional häufig Betreuungsaufgaben übernehmen.
Die richtige Finanzberatung finden
Eine professionelle Finanzberatung zeichnet sich durch mehrere Qualitätsmerkmale aus:
- Unabhängigkeit: Die Beratung sollte frei von Produktverkaufsinteressen sein. Achten Sie auf transparente Honorarmodelle statt provisionsbasierte Vergütung.
- Fachkompetenz: Fragen Sie nach Qualifikationen, Berufserfahrung und Spezialisierungen, besonders im Bereich Frauenfinanzen.
- Empathie: Eine gute Beraterin oder ein guter Berater hört zu, versteht Ihre individuelle Situation und passt die Empfehlungen entsprechend an.
- Transparenz: Alle Kosten, Risiken und Chancen sollten klar kommuniziert werden. Fordern Sie bei Unklarheiten konkrete Erläuterungen.
Spezialisierte Beratungsangebote in der Schweiz
In der Schweiz bieten verschiedene Institutionen spezialisierte Finanzberatung für Frauen an.
Die Frauenorganisationen in den grösseren Städten verfügen über professionelle Beratungsangebote zu Vorsorge- und Budgetfragen. Diese Angebote umfassen in der Regel sowohl persönliche Gespräche als auch schriftliche Analysen der individuellen Vorsorgesituation.
Daneben gibt es unabhängige Finanzberatende mit Spezialisierung auf die Bedürfnisse von Frauen. Diese bringen häufig sowohl Fachkompetenz im Finanzbereich als auch Erfahrung mit frauenspezifischen Finanzthemen mit und können besonders auf Themen wie Teilzeitarbeit, Erwerbsunterbrechungen oder die finanzielle Situation nach Trennungen eingehen.
Entscheidende Fragen für das Beratungsgespräch
Zur Vorbereitung auf ein Beratungsgespräch sollten Sie folgende Fragen klären:
- Wie erfolgt die Vergütung der Beratung? (Honorar, Provision oder Kombination)
- Welche spezifischen Qualifikationen und Erfahrungen im Bereich Frauenfinanzen bringt die Beraterin mit?
- Wie umfassend ist die Beratung – werden alle drei Säulen und zusätzliche Vermögensbildung berücksichtigt?
- Welche konkreten Unterlagen werden für die Beratung benötigt?
- Welche Nachbetreuung erfolgt nach der eigentlichen Beratung?

Tipps & Mythen beim Investieren
Aufholjagd der Schweizer Anlegerinnen
Die jüngste YouGov/BlackRock-Studie (2024) zeigt eine dynamische Entwicklung: Während der Anteil investierender Schweizerinnen innerhalb eines Jahres um 19 Prozent stieg, bleibt der Gender Gap beim Investieren dennoch deutlich. Nur etwa jede dritte Frau legt Geld in Wertpapieren an, während es bei Männern mehr als jeder zweite tut.
Mit 45 Prozent Anlegern insgesamt liegt die Schweiz an der europäischen Spitze, nur knapp hinter den skandinavischen Ländern. Besonders bei jungen Frauen (18-24 Jahre) verzeichnet die Studie einen starken Zuwachs von 36 Prozent.
ETFs: Optimal für den Einstieg
ETFs (Exchange Traded Funds) sind bei Schweizer Anlegerinnen besonders beliebt. Sie bieten mehrere Vorteile, die sie besonders für Einsteigerinnen attraktiv machen:
- Breit diversifizierte Portfolios reduzieren das Risiko im Vergleich zu Einzelaktien
- Niedrige Verwaltungskosten im Vergleich zu aktiv gemanagten Fonds
- Hohe Transparenz bezüglich der enthaltenen Wertpapiere
- Flexibilität bei Ein- und Ausstieg durch börsentäglichen Handel
Mit populären ETFs, wie bspw. dem MSCI World Index konnten Anleger in den letzten zehn Jahren durchschnittlich 9,4 Prozent jährliche Rendite erzielen – bei deutlich geringerem Risiko als mit Einzelaktien.
Lesetipp: Die bedeutendsten Schweizer Aktienindizes im Überblick
Einstieg mit überschaubaren Beträgen
Die Annahme, dass Geldanlagen grosse Summen erfordern, entspricht nicht mehr der heutigen Realität. Aktuelle Marktanalysen zeigen, dass durch die Digitalisierung im Finanzsektor die Einstiegshürden deutlich gesunken sind. Zahlreiche Online-Plattformen ermöglichen mittlerweile den Einstieg mit monatlichen Beiträgen ab 10 Franken.
Finanzmodelle verdeutlichen die langfristigen Auswirkungen regelmässiger Kleinbeträge: Bei einem monatlichen Sparplan von 100 Franken in einen breit gestreuten ETF kann über einen Zeitraum von 30 Jahren bei einer durchschnittlichen jährlichen Rendite von 5 Prozent ein Vermögen von etwa 80’000 Franken entstehen. Solche kontinuierlichen Investitionen können somit durchaus einen substantiellen Beitrag zur langfristigen finanziellen Absicherung leisten.

Konkrete Schritte zur finanziellen Selbstbestimmung
1. Finanzielle Bestandsaufnahme machen
Der erste konkrete Schritt zur finanziellen Selbstbestimmung ist eine ehrliche Bestandsaufnahme. Erfassen Sie alle Einnahmen, Ausgaben, Vermögenswerte und Verbindlichkeiten.
- Fixkosten (Miete, Versicherungen, Steuern)
- Variable Kosten (Lebensmittel, Kleidung, Freizeit)
- Sparziele (kurz-, mittel- und langfristig)
Hilfreiche Werkzeuge können Finanz-Apps sein, die eine automatische Kategorisierung ermöglichen.
2. Schutz vor finanziellen Risiken aufbauen
Bevor Sie in den Vermögensaufbau investieren, sollten Sie sich gegen finanzielle Risiken absichern. Dazu gehört ein Notgroschen von drei bis sechs Monatsgehältern auf einem separaten Konto mit schnellem Zugriff. Dieser bietet Sicherheit bei unerwarteten Ausgaben oder Einkommensausfällen.
Daneben ist ein adäquater Versicherungsschutz wichtig. Prüfen Sie Ihre Absicherung bei Invalidität und im Todesfall, insbesondere wenn Sie Familie haben oder allein für Ihren Lebensunterhalt aufkommen müssen.
3. Strategische Vorsorgeplanung umsetzen
Optimieren Sie Ihre Altersvorsorge systematisch in allen drei Säulen:
- AHV: Fordern Sie alle drei Jahre einen AHV-Kontoauszug an und schliessen Sie eventuelle Beitragslücken.
- Pensionskasse: Prüfen Sie, ob Ihre Pensionskasse Teilzeitarbeit fair berücksichtigt und ob der Koordinationsabzug anteilsmässig reduziert wird. Erwägen Sie freiwillige Einkäufe, wenn Ihre finanzielle Situation dies zulässt.
- Säule 3a: Nutzen Sie die Möglichkeit, jährlich bis zu 7’258 Franken (Stand 2025) in die Säule 3a einzuzahlen. Für langfristiges Wachstum empfiehlt sich eine Lösung mit Wertschriftenanteil.
- Säule 3b: Ergänzen Sie Ihre Vorsorge durch freies Sparen und Investieren, beispielsweise in ETFs oder Direktanlagen.
4. Erwerbstätigkeit langfristig planen
Die Erwerbsbiografie hat entscheidenden Einfluss auf die spätere Rente. Studien zeigen, dass ein durchschnittliches Arbeitspensum von mindestens 70 Prozent über das gesamte Berufsleben hinweg Vorsorgelücken deutlich reduzieren kann.
Falls eine Reduktion des Arbeitspensums – etwa für die Kinderbetreuung – notwendig ist, sollten Sie gemeinsam mit Ihrem Partner eine faire Aufteilung der Betreuungsaufgaben und Erwerbsarbeit anstreben. Die Swiss Life Studie bestätigt, dass gleichberechtigte Partnerschaften zu einer ausgeglicheneren Vorsorgesituation führen.
5. In Finanzwissen investieren
Fundiertes Finanzwissen bildet die Grundlage für selbstbestimmte Entscheidungen. Frauen mit gutem Finanzwissen investieren häufiger als Frauen ohne entsprechende Kenntnisse.
Nutzen Sie hochwertige Quellen zur Weiterbildung (Fachbücher, Workshops, Kurse, Podcasts) und wagen Sie sich schrittweise an Ihre Finanzplanung.

Fazit: Eigene Finanzen aktiv gestalten
Frauen, die ihre Finanzen aktiv gestalten, können die Weichen für ihre finanzielle Zukunft neu stellen. Die wachsende Zahl von Anlegerinnen in der Schweiz verdeutlicht, dass immer mehr Frauen die Kontrolle über ihre finanzielle Situation übernehmen.
Die wichtigsten Hebel sind eine bewusste Erwerbsplanung, die systematische Nutzung aller Vorsorgesäulen und der frühzeitige Einstieg in die Geldanlage. Eine unabhängige Finanzberatung kann dabei entscheidende Impulse geben und helfen, individuelle Strategien zu entwickeln.
Wer heute aktiv wird, sichert sich langfristig finanzielle Unabhängigkeit und Selbstbestimmung – in jeder Lebensphase.
Sources
- [1] swisslife.ch
- [2] bfh.ch
- [3] unibe.ch
- [4] blackrock.com
- [5] admin.ch