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In der modernen Portfoliotheorie hat sich das systematische Investieren mittels quantitativer Faktoren etabliert. Einer der am besten dokumentierten und am breitesten eingesetzten Faktoren ist der Momentum-Faktor. Er beschreibt die Tendenz von Anlageinstrumenten wie z.B. Aktien, Kurstrends fortzusetzen: Aktien mit starker relativer Performance über einen definierten Zeitraum erzielen mit erhöhter Wahrscheinlichkeit auch in naher Zukunft überdurchschnittliche Renditen – und umgekehrt. Dieses wissenschaftliche Fundament ist ein wichtiger Pfeiler der Everon-Multifaktor-Strategie.
Was versteht man unter Momentum?
Momentum misst die relative Kursveränderung einer Aktie über einen bestimmten Zeitraum. Eine gängige Berechnungsformel ist:

wobei Pi,t der Preis der Aktie i zum Zeitpunkt t und k der Betrachtungszeitraum in Monaten (typischerweise 6 bis 12 Monate) ist.
Alternativ kann das Momentum als Risiko-adjustierte Rendite formuliert werden, z. B. durch die Sharpe-Ratio (Verhältnis Rendite zu Risiko) auf rollierender Basis. Momentum zählt zu den Faktoren mit robuster historischer Überrendite:
- In den USA erzielte der Momentum-Faktor zwischen 2000 und 2020 eine annualisierte Überschussrendite von rund 5–7 % p.a. (je nach Methodik).
- Auch in Europa und den Schwellenländern zeigen sich ähnliche Prämien, wenngleich mit höherer Volatilität.
- Im Vergleich zu anderen Faktoren – wie z.B. Value oder Size – war Momentum in den späten 2010er-Jahren besonders erfolgreich, vor allem in Phasen niedriger Zinsen und klarer Markttrends.
Lesetipp: Faktor-Risikoprämien: Value, Momentum, Size und Quality in den letzten Jahren

Momentum funktioniert typischerweise in Marktphasen mit:
- klarem Trend (z. B. expansive geldpolitische Phasen),
- fundamentaler Divergenz (z. B. Branchenrotation),
- hohem Anlegerfokus auf relative Stärke (z. B. Wachstumsphasen).
Schwächen zeigt Momentum hingegen in:
- Trendbrüchen (z. B. nach Marktkorrekturen oder politischen Schocks),
- starkem Reversal-Verhalten (z. B. in der Covid-Erholungsphase März–Juni 2020),
- verengten Märkten, wenn nur wenige Titel die Indexperformance treiben (Momentum-Cluster-Risiko).
Momentum weist typischerweise folgende Eigenschaften auf:
- Negative Korrelation zum Value-Faktor (insbesondere bei stark unterbewerteten Aktien, die als Turnaround-Kandidaten gelten),
- Leicht positive Korrelation zum Quality-Faktor (hochprofitabel wachsende Unter-nehmen schneiden oft auch im Momentum gut ab),
- Geringe Korrelation zum Low-Volatility-Faktor
Diese Eigenschaften machen Momentum zu einem effektiven Diversifikator in einem Multifaktor-Portfolioansatz.
Unterschiedliche Momentum-Definitionen
Es existieren zahlreiche Varianten des Momentum-Begriffs:
- Preisbasierte Indikatoren:
- 12M-1M Performance (klassisch)
- 6M Performance, 3M Performance, 1M Reversal
- Durchschnittlicher Performance-Rang über mehrere Zeitfenster
- Technische Indikatoren:
- Relative Strength Index (RSI)
- Moving Average Convergence Divergence (MACD)
- Abstand zur 200-Tage-Linie
- Risiko-adjustierte Varianten:
- Rendite/Volatilität über 6–12 Monate
- Momentum-Score relativ zur Sektor- oder Marktvolatilität
Die Wahl der Definition hängt vom Ziel des Einsatzes ab: aggressives Timing, defensives Rebalancing oder neutrales Stock Ranking.
Unser Ansatz bei Everon
Bei Everon integrieren wir Momentum nicht als monolithische Metrik, sondern als komponentenbasierten Score, der mehrere Sub-Indikatoren kombiniert. Unser Portfolio Management Engine verwendet dazu beispielsweise
- kurz-, mittel- und langfristige Preis-Momentums .
- Sektor-adjustierte Momentum-Rankings,
- risiko-adjustierte Momentum-Werte auf Basis von rollierenden Sharpe-Verhältnissen,
- technische Trendfilter.
Diese Sub-Scores werden in einem gewichteten Gesamtwert zusammengeführt, der in unsere dynamische Gewichtung eines Endscores einer Aktie einfliesst. Momentum wirkt dabei nicht isoliert, sondern in Kombination mit weiteren Faktoren wie Value, Quality oder Volatilität. Je nach Marktphase können die Momentum-Scores mehr oder weniger stark gewichtet werden.
Beispiel: In einem stabilen Bullenmarkt mit klarer Branchenrotation kann Momentum ein wichtiges Kriterium für Übergewichtungen sein. In volatilen Seitwärtsmärkten reduzieren wir hingegen gezielt die Relevanz momentumgetriebener Komponenten, um Reversal-Risiken zu begrenzen.
Lesetipp: Factor Investing mit Everon
Fazit
Momentum ist ein vielseitiger und bewährter Faktor im systematischen Investieren – allerdings kein Selbstläufer. Entscheidend ist eine robuste, mehrdimensionale Definition,