Freizügigkeitsprinzip zur beruflichen Altersvorsorge: Tipps & FAQ

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Die in der Arbeitswelt geforderte Flexibilität macht eine ebenso grösstmögliche Flexibilität der zweiten Säule der Vorsorge erforderlich. Schliesslich soll der Wechsel zu neuen Arbeitgeber*innen nicht mit Nachteilen bei Bausteinen der beruflichen Altersversorgung verbunden sein oder erschwert werden.

Das Freizügigkeitsgesetz (FZG) aus dem Jahr 1995 stellt dazu die Freizügigkeit zwischen den BVG-Obligatorien sicher. Bei den versicherten Personen werden bei Wechsel des Leistungsträgers der beruflichen Alters-, Hinterbliebenen- und Invalidenvorsorge (BVG) die Freizügigkeitsleistungen übertragen. Sowohl der Ausweis als auch der Übertragungsweg sind festgelegt. Es lohnt sich also für jeden Versicherten, sich im Vorfeld zu informieren. Wer seine Möglichkeiten kennt, wird auch bei Veränderungen sorgenfrei auf seine Altersvorsorge blicken.

Das Wichtigste im Überblick

  • Ab dem sogenannten BVG-Mindestlohn (Stand 2021: CHF 21’500) besteht Versicherungspflicht bei einer Pensionskasse. Unterhalb dieser BVG‑Eintrittsschwelle besteht eine Absicherung nur über die erste Säule (AHV/IV).
  • Die erworbenen Ansprüche (Freizügigkeitsguthaben) werden im Ruhestand als Rente ausgezahlt. Nur in wenigen Ausnahmen und unter Einhaltung strenger Auflagen ist eine vorzeitige Auszahlung möglich.
  • Für die Fälle Arbeitgeberwechsel, Unternehmensaustritt, Ehescheidung und Tod werden die sogenannten Freizügigkeitsguthaben übertragen.
  • Kann das Freizügigkeitsguthaben nicht direkt an ein anderes Versorgungswerk übertragen werden, müssen die Freizügigkeitsgelder bei einer Freizügigkeitseinrichtung zwischengeparkt werden. Dies ist etwa bei Austritt aus dem Unternehmen ohne neuen Arbeitgeber der Fall.

Funktionsweise der Freizügigkeit

Die zweite Säule der Schweizer Altersvorsorge ist eine obligatorische berufliche Vorsorge. Sie ergänzt die Grundversorgung der ersten Säule und sichert den Lebensstandard. Im Bundesgesetz, dass die berufliche Altersvorsorge, Hinterlassenenvorsorge und Invalidenvorsorge (BVG) regelt, ist festgelegt, dass die Versicherungsleistungen von Pensionskassen erbracht werden. Im Folgenden Video werden grundlegende Zusammenhänge des 3-Säulen-Prinzips zur Altersvorsorge in der Schweiz erklärt:

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Beiträge und Leistungen der Pensionskassen

  • Die berufliche Vorsorge besteht in der ersten Stufe aus einem obligatorischen Teil, in dem alle Angestellten ab dem 17. Lebensjahr für den Fall der Invalidität sowie den Todesfall versichert sind. Sie wird auch als Vorsorge 2b bezeichnet.
  • Ab dem 24. Geburtstag werden Altersleistungen für die Pensionierung aufgebaut.
  • Ab dem BVG-Mindestjahreslohn (Stand 2021: CHF 21’150) sind Arbeitnehmer*innen beitrags- und versicherungspflichtig. Der obligatorische Teil des Einkommens ist auf CHF 85’320 begrenzt.
  • Die Beiträge werden mindestens zur Hälfte von den Arbeitgebern gezahlt. Sie betragen, gestaffelt nach Alter, zwischen 7 und 18 Prozent des versicherten Gehalts. Der Arbeitgeber kann die Pensionskasse bestimmen, wo seine Arbeitnehmer versichert sind. Ebenso kann er die Rahmenbedingungen festlegen (beispielsweise Arbeitgeberanteil oder Sparquote).
  • Die Arbeitgeber*innen sind verantwortlich für die ordnungsgemässe Abführung der Beiträge.

Da der obligatorische Teil begrenzt ist, besteht für den sogenannten überobligatorischen Teil des Einkommens das Angebot der freiwilligen privaten Vorsorge. Berufstätige, angestellt oder selbstständig, sollten sich rechtzeitig über mögliche Angebote erkundigen. Wichtig: Der Staat beteiligt sich durch Steuerfreiheit bei den Beiträgen und des ausgezahlten Kapitals.

Von der Pensionskasse zur Freizügigkeitseinrichtung

Nicht immer können Pensionskassengelder von einer Pensionskasse zur anderen in Form einer Austrittsleistung übertragen werden.

Dies gilt beispielsweise für folgende Fälle:

  • Arbeitslosigkeit
  • Auswanderung
  • berufliche Auszeit
  • Selbstständigkeit (ohne Anschlussversicherung in einer Pensionskasse)
  • Babypause
  • Arbeitgeberwechsel (sofern nicht das komplette Freizügigkeitsguthaben in die neue Pensionskasse eingebracht werden kann)
  • Einkommen unterhalb des BVG-Mindestlohns (beispielsweise bei Teilzeitarbeit)
  • Scheidung (Übertragung des Anspruchs auf den ehemaligen Ehepartner)

Da eingezahlte Pensionskassengelder laut Gesetz im Kreislauf der Vorsorge verbleiben müssen, muss das angesparte Freizügigkeitsguthaben in solchen Fällen bei einer Auffangeinrichtung geparkt werden.

Kann also Vorsorgeguthaben nicht direkt von einer Pensionskasse auf eine andere übertragen werden, wird das Guthaben von speziellen Freizügigkeitsstiftungen angelegt und verwaltet. Damit ist garantiert, dass der Vorsorgeschutz erhalten bleibt. Es handelt sich hierbei um Einrichtungen von Banken oder Versicherungen.

Folgende Punkte sind bei der Anlage des Freizügigkeitsguthabens zu beachten:

  1. Bei Austritt aus einem Unternehmen sind Arbeitnehmer*innen selbst für die Eröffnung eines Freizügigkeitskontos verantwortlich.
  2. Die Wahl des Anbieters ist dem Versicherten freigestellt. Maximal ist die Verteilung auf zwei Freizügigkeitsstiftungen erlaubt. Wiederum ist es nicht möglich, bei der gleichen Stiftung mehr als ein Konto zu führen.
  3. Wird nach Ausscheiden aus einer Pensionskasse kein Freizügigkeitskonto eröffnet, wird das Altersguthaben bei der nationalen Vorsorgeeinrichtung „Stiftung Auffangeinrichtung“ eingezahlt und angelegt. Die Übertragung erfolgt in der Regel nach Ablauf von sechs Monaten automatisch.
  4. Mit dem Freizügigkeitsgesetz wurde der Begriff Mindestbetrag für die Freizügigkeitsleistung eingeführt. Diese Absicherung bedeutet, die versicherte Person erhält mindestens die Summe aus allen selbst geleisteten Beiträgen. Hinzu kommt ein Zuschlag von vier Prozent pro Lebensjahr (höchstens 100 Prozent) ab Alter 20. Für den Fall, dass der Arbeitgeber die Beiträge komplett übernommen hat, gelten diese zu einem Drittel von der versicherten Person erbracht.
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Auszahlung des Freizügigkeitsguthabens

Besteht aus den oben genannten Gründen nach einer BVG-Pflichtversicherung keine direkte Weiterversicherung bei einer anderen Pensionskasse, überweist die Pensionskasse des bisherigen Arbeitgebers das Freizügigkeitsgeld auf das Konto bei einer Freizügigkeitsstiftung. Diese kann der Arbeitnehmer frei auswählen. Auf diesem Wege wird das persönliche Altersguthaben vorübergehend oder bis zur Pensionierung angelegt.

Wird nach der beruflichen Unterbrechung ein neues Arbeitsverhältnis in der Schweiz begründet, wird das Guthaben des Freizügigkeitskontos an die Pensionskasse des neuen Arbeitgebers übertragen. Das Freizügigkeitskonto kann dann wieder aufgelöst werden.

Der Bezug der Freizügigkeitsleistung richtet sich nach gesetzlichen Regelungen. Demnach gibt es folgende Möglichkeiten:

  • Pensionierung: Ab fünf Jahre vor dem AHV-Rentenalter und bis zu fünf Jahre danach kann die Auszahlung beantragt werden. Demnach ist der früheste Termin bei Frauen ab dem Alter 59 und bei Männern ab dem Alter 60.
  • Beim endgültigen Verlassen der Schweiz: Arbeitnehmer*innen, die in ein EU-/EFTA-Land ziehen, können nur den überobligatorischen Teil des Altersguthabens ausbezahlt bekommen. Wenn die Kontoinhaber*innen in diesem Land nicht pflichtversichert sind, kann auch der obligatorische Teil ausgezahlt werden.
  • Endgültige Erwerbsaufgabe in der Schweiz als Grenzgänger*in: Bei Annullation der Grenzgängerbewilligung kann das Freizügigkeitsguthaben ausgezahlt werden. Dabei darf keiner Erwerbstätigkeit in der Schweiz nachgegangen werden und ebenso kein Wohnsitz in der Schweiz bestehen.
  • Invalidität: Als Nachweis dient der Bezug einer ganzen Invaliditätsrente der eidgenössischen Invalidenversicherung.
  • Erwerb von Wohneigentum: Die Wohneigentumsförderung der Schweiz sieht vor, das gesamte oder einen Teil des Freizügigkeitsguthabens zur Förderung des Wohneigentums zu beziehen. Dies ist pro Konto alle fünf Jahre und bis fünf Jahre vor dem AHV‑Rentenalter möglich. Zu den Verwendungsmöglichkeiten zählen in dem Zusammenhang der Erwerb von selbst genutztem Wohneigentum, die Erstellung, die Rückzahlung von Hypothekardarlehen sowie die Renovation. Ebenso wird auf diese Weise die Beteiligung an Wohnbaugenossenschaften oder Aktien einer Mieter‑Aktiengesellschaft gefördert. Die Freizügigkeitsstiftungen halten die erforderlichen Auszahlungsformulare vor und informieren über die konkreten Auszahlungsbedingungen.
  • Tod des Inhabers des Freizügigkeitskontos: Im Todesfall sieht eine Regelung vor, dass die Freizügigkeitsgelder an die gesetzlich Begünstigten ausgezahlt werden. Die Reihenfolge ist dabei vorgegeben. Erste Berechtigte sind die Ehepartner*innen, gefolgt von minderjährigen Kindern sowie Kindern im Alter von 25 Jahren, die sich noch in Ausbildung befinden. In der nächsten Ebene werden Personen bedacht, die in den vergangenen fünf Jahren vor dem Todesfall mit dem Kontoinhaber in einer Lebensgemeinschaft gewohnt haben. Dabei muss erkennbar sein, dass diese Personen wesentlich unterstützt wurden. Die Reihenfolge endet mit volljährigen Kindern und übrigen gesetzlichen Erben.

Das Freizügigkeitssystem in der Praxis

Durch die Veränderungen am Arbeitsmarkt und die geforderte Flexibilität tritt der Freizügigkeitsfall heute häufiger ein.

Beispiele:

  • übergangsweise keine Beschäftigung (Weltreise, Arbeitslosigkeit, Studium, Kinderbetreuung)
  • unbestimmter Auslandsaufenthalt
  • Reduzierung der Arbeitszeit mit Unterschreitung der BVG-Eintrittsschwelle
  • Neue Selbstständigkeit mit Verzicht auf den Bezug des Freizügigkeitsguthabens
  • Teilweise Übertragung des Rentenguthabens des ehemaligen Partners nach Scheidung

Bei Austritt aus einer Pensionskasse wird die Freizügigkeitsleistung, auch Austrittsleistung genannt, entsprechend der Vorgaben berechnet. Schliesst sich aus den oben genannten Gründen nicht direkt die Versicherung bei einer anderen Pensionskasse an, muss das Altersguthaben an eine Freizügigkeitseinrichtung überwiesen werden. Bis zum Zeitpunkt der Überweisung wird das Guthaben zum BVG‑Mindestzinssatz (Stand 2021: ein Prozent) verzinst.

Die Höhe des Freizügigkeitsguthabens ist unter anderem davon abhängig, ob die Pensionskasse nach dem Leistungsprimat oder Beitragsprimat geführt wird.

Leistungsprimat: Hierbei werden die Leistungen der Pensionskasse nach dem versicherten Lohn festgelegt. Was zunächst einfach und verständlich aussieht, hat jedoch den Nachteil, dass die Versicherungsleistungen je nach Einkommensentwicklung schwanken können. Dies kann etwa für Hinterbliebene im Einzelfall weitgehende negative Folgen haben.

Beitragsprimat: Im Versicherungsfall werden bei diesem Modell die Leistungen nach den geleisteten Beiträgen des Versicherten zuzüglich Zinsen berechnet. Sie richten sich somit nach dem angesparten Guthaben. Die Berechnung der Rente erfolgt nach einer vorgegebenen Berechnung auf Grundlage des angesparten Pensionskassenkapitals. Wegen der besseren Planbarkeit haben sich inzwischen die meisten privatrechtlichen Pensionskassen für dieses Modell entschieden.

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Die Wahl des Freizügigkeitskontos

Für die Wahl der Freizügigkeitseinrichtung stehen Bankkonten, Policen oder Wertschriftendepots zur Verfügung. Die Wahl der optimalen Anlage des Freizügigkeitsguthabens hat in Zeiten historisch niedriger Zinsen enorm an Bedeutung gewonnen. Schliesslich geht es darum, mit dieser Anlage im Alter seinen Lebensstandard erhalten zu können.

Bei den Freizügigkeitskonten liegt die durchschnittliche Verzinsung bei 0.022 Prozent (Stand 08/2021). Die Gebühren bewegen sich zwischen 0 und 36 Franken. Bei den Freizügigkeitspolicen ist aktuell mit einer kaum höheren Rendite zu rechnen.

Je länger der Anlagehorizont, desto rentierlicher ist erfahrungsgemäss eine höhere Aktienquote. Daher ist die Anlage mit Wertschriftenanlagen auf einem Freizügigkeitsdepot überaus attraktiv geworden. Bei den Wertschriften wird das Guthaben in Aktien, Obligationen sowie weiteren Wertpapieren investiert. So können mit dem Vorsorgekapital die Chancen der Finanzmärkte genutzt werden. Die Anbieter bieten in der Regel verschiedene Anlagestrategien, um der individuellen Risikobereitschaft zu entsprechen.

Bei Geringfügigkeit kein Freizügigkeitskonto erforderlich

Um unnötigen Verwaltungsaufwand zu vermeiden, müssen für geringfügige Austrittsleistungen von Pensionskassen keine Freizügigkeitskonten eingerichtet werden. Die Freizügigkeitsguthaben können in diesen Fällen direkt an die Versicherten ausgezahlt werden.

Beträgt die Austrittsleistung nicht mehr als die Summe der Sparbeiträge eines Jahres, ist sie im Sinne dieser Regelung geringfügig. Weitere Details können die Pensionskassen in Eigenständigkeit definieren.

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Tipps und erste Schritte beim Freizügigkeitsfall

Damit das erarbeitete Freizügigkeitsguthaben jederzeit nachvollziehbar, sicher und rentabel angelegt ist, sollten folgende Punkte beachtet werden:

  • Bei Veränderung des Arbeitsverhältnisses zeitnah mit der Pensionskasse Kontakt aufnehmen. Dabei bei Wechsel des Arbeitgebers die neue Pensionskasse mitteilen. Wird aus den oben geschilderten Gründen in keine neue Vorsorgeeinrichtung gewechselt, dann die Freizügigkeitseinrichtung für die Überweisung der Austrittsleistung mitteilen.
  • Freie Wahl der Freizügigkeitsstiftung nutzen! Dabei sollten neben den Zinsen die Gebühren verglichen werden.
  • Freizügigkeitsguthaben können auf zwei unterschiedlichen Freizügigkeitsstiftungen verteilt werden; dies ist später nicht mehr möglich. Eine Verteilung erhöht die Flexibilität der Anlage.
  • Bei längerfristigem Horizont: Anlagechancen am Kapitalmarkt nutzen durch Anlage von Wertschriften auf einem Freizügigkeitsdepot.
  • Vorsorgeplanung bedeutet Sicherstellung des Lebensstandards im Ruhestand. Daher zahlt sich kompetente Beratung immer aus. Vor einer Entscheidung sollten daher die persönlichen Möglichkeiten mit einem Finanzexperten besprochen werden.

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